Deutsche Presse-Agentur, 11.07.2001
Sorgerechtsstreit: Väter und Großmutter im Hungerstreik
Berlin (dpa/bb) - Im Sorgerechtsstreit um ihre Kinder
haben drei Väter am Mittwoch auf dem Berliner Gendarmenmarkt einen
unbefristeten Hungerstreik begonnen. "Ich akzeptiere nicht mehr, dass die
deutsche Justiz nur den Müttern Recht gibt, ich will mein Kind wieder
sehen", sagte Organisator Olivier Karrer. Der 41-jährige Franzose
berichtete, dass seine deutsche Frau 1998 mit dem gemeinsamen Sohn nach
Deutschland verschwunden und ihm das Sorgerecht entzogen worden sei. Seinen
kleinen Sohn habe er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Auch zwei deutsche
Väter protestieren mit der Aktion gegen das alleinige Sorgerecht der Mutter. Zudem
hat sich eine deutsche Großmutter aus Sorge um ihre Enkel dem Hungerstreik
angeschlossen. Am morgigen Donnerstag soll die Aktion auf dem Alexanderplatz
fortgesetzt werden. Väter aus Schweden, Südafrika und Frankreich werden noch
erwartet. Die Männer aus binationalen Ehen
kritisieren, dass Deutschland die Haager Konvention zur Überführung entführter
Kinder nicht einhalte. Danach müssen Kinder, die im Ausland von einem
Elternteil entführt wurden, wieder ins Ursprungsland zurückgegeben werden. Die
deutsche Justiz berufe sich aber häufig auf eine Ausnahmeregelung, wonach es
gestattet ist, die Kinder nicht zurückzuschicken, wenn ihr Wohl dadurch
gefährdet ist, sagte Karrer. Deutsche Väter monieren zudem, dass Deutschland
die UN-Menschenrechtskonvention unterlaufe, wonach Kinder ein Recht auf beiden
Elternteile hätten. Nach Angaben der Organisatoren sind deutschlandweit mehrere
hunderttausend Elternteile auf gewaltsame Weise von ihren Kindern getrennt. Ausländische
Eltern verlieren laut Angaben jährlich rund 1000 von einem Elternteil nach
Deutschland entführte Kinder. Die Teilnehmer der Aktion fordern, dass die
deutsche Regierung bis Jahresende dem Europäischen Parlament einen
Gesetzentwurf zur Schaffung eines europäischen Familiengesetzes vorlegt, in dem
ein Rechtsanspruch des Kindes auf beide Elternteile garantiert wird. "Der
Streik ist für uns die letzte Möglichkeit", sagte Karrer. Für besonderes
Aufsehen sorgte zuletzt der Fall des Amerikaners Joseph Cooke,
dessen Frau die Kinder mit nach Deutschland genommen hatte. Nachdem sie sich
dort in psychiatrische Behandlung begeben hatte, wurden die Kinder an eine
Pflegefamilie vermittelte. Obwohl ein US-Gericht dem Vater das Sorgerecht
zusprach, lehnte die deutsche Justiz eine Übergabe ab. Das Thema hatte im
vergangenen Jahr auch den Deutschland-Besuch des damaligen US-Präsidenten Bill
Clinton überschattet.