Berliner Morgenpost, 17.07.2001

 

Seit 369 Tagen keinen Kontakt mehr Hungerstreik: Väter und Mütter aus binationalen Ehen kämpfen dafür, ihre Kinder wiederzusehen Von Regina Köhler Sie haben seit Tagen nichts mehr gegessen. Nun macht ihnen auch noch das kalte, regnerische Wetter zu schaffen. Zusammengedrängt stehen fünf Männer und eine Frau unter der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz. Sie kommen aus Frankreich, Südafrika, Kroatien und Deutschland. Sie haben Plakate dabei, auf denen ihre Kinder abgebildet sind. Daneben die Zeit: Tage, Wochen, Monate und Jahre, die diese Mütter und Väter ihre Söhne und Töchter nicht mehr gesehen haben, weil der jeweils andere Elternteil das nicht zulässt. Auf dem Plakat von Bernd Uhl aus Berlin stehen 369 Tage. So lange ist es her, seitdem er seinen dreijährigen Sohn Josa zum letzten Mal in die Arme schließen konnte. Seine aus Kanada stammende Frau kam im vergangenen Jahr nach einem Urlaub in der Heimat einfach nicht mehr zurück. Das Kind behielt sie bei sich. Uhl stellte daraufhin einen Antrag auf Rückführung des Kindes. Er berief sich auf das Haager Abkommen zum Kindesentzug, wonach Kinder, die im Ausland von einem Elternteil «entführt» wurden, sofort wieder ins Ursprungsland zurückgebracht werden müssen, noch bevor lange Sorgerechtsstreitigkeiten entschieden worden sind. Bis aber der Antrag an die kanadische Behörde weitergegeben war und endlich ein deutscher Gerichtsentscheid vorlag, verging viel Zeit. Die laut Haager Konvention geltende sechsmonatige Rückführungsfrist verstrich. Kanada wurde zum so genannten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes erklärt. Uhl kämpft nun darum, seinen Sohn wenigstens sehen zu können. Gleiches will auch Olivier Karrer. Der Franzose demonstriert gegen die hiesige Rechtsprechung. Seit seine Frau, mit der er in Frankreich lebte, nach einen Deutschlandurlaub nicht zurückkehrte und schließlich in Hamburg das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekam, darf er seinen Sohn Julian (7) nicht mehr sehen. Das ist jetzt zwei Jahre her. Für Karrer ein eindeutiger Verstoß gegen das Haager Abkommen, dem Deutschland 1990 beitrat. Der Hungerstreik begann am vergangenen Mittwoch auf dem Gendarmenmarkt und soll nun unter der Weltzeituhr fortgeführt werden. Damit kritisieren Françoise Dubord, Olivier Karrer, Hervé Chapelliere, Michael Hickman, Josip Krajina und Bernd Uhl - Jacques Rumieg und Richard Vikström streiken in den USA - dass Deutschland die Haager Konvention zur Überführung nicht einhalte. «Die deutsche Justiz beruft sich stattdessen sehr oft auf eine Ausnahmereglung, wonach es gestattet ist, die Kinder nicht zurückzuschicken, wenn ihr Wohl gefährdet ist», so Karrer. «Das Wohl des Kindes steht bei diesen Entscheidungen aber nicht im Mittelpunkt», betont Michael Hickman aus Südafrika. Die Teilnehmer der Aktion fordern nun, dass die deutsche Regierung bis Jahresende dem Europäischen Parlament einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines europäischen Familiengesetzes vorlegt, in dem ein Rechtsanspruch des Kindes auf beide Elternteile verankert wird. «In 14 Tagen werden wir Justizministerin Herta Däubler-Gmelin treffen, um über diese Forderung zu diskutieren», so Karrer. Holger Partikel unterstützt die Hungerstreikenden. Der Berliner Jurist ist bei Sorgerechts- und Umgangsverfahren seit Jahren als Verfahrenspfleger und Vermittler und somit als «Anwalt» des Kindes tätig. Seiner Meinung nach wird in Deutschland bei der Rechtsprechung in derartigen Fällen viel zu wenig Wert auf die psychologisch- pädagogische Seite gelegt. Gebraucht würden gut ausgebildete Umgangspfleger, die in der Lage seien, den streitenden Eltern Einhalt zu gebieten, klar für das Wohl des Kindes einzutreten und beteiligte Anwälte daran zu hindern, den Streit noch aufzuschaukeln, damit es am Ende einen Sieger gibt. «Im deutschen Kindschaftsrecht von 1998 heißt es, dass das Kind ein Recht auf den Umgang mit beiden Elternteilen hat. Das ist verbindlich